Niveau einstellen

Wenden wir uns, nachdem wir nun alle möglichen Fehlerquellen am Fahrwerk kontrolliert haben, der eigentlichen Einstellung der Federelemente zu. Der wichtigste Schritt ist dabei die Einstellung des Niveaus. Denn nur, wenn hier alles stimmt, wird das Motorrad so fahren, wie sich das die Herren Konstrukteure ursprünglich mal gedacht haben. Was aber verstehen wir an dieser Stelle unter Niveau? Dass ein Motorrad in die Federn sackt, wenn es vom Ständer genommen wird, haben wir sicher alle beim ersten Kontakt mit einem motorisierten Zweirad sofort bemerkt. Durch das Eigengewicht der Maschine werden die Federn vom und hinten bereits ein Stück weit zusammengedrückt – die Maschine steht praktisch auf den Federn und pendelt sich auf einem gewissen Höhenniveau über der Fahrbahn ein. Im englischen Sprachraum bezeichnet man dieses Niveau ziemlich treffend als »Ride Hight« Fahrhöhe.

Klar. dass ein gewisses Maß des Federwegs quasi nun bereits aufgebraucht ist, der Weg, um den die Maschine vorn und hinten eingesackt ist, bezeichnet man als Negativfederweg, den bis zum Anschlag noch zur Verfügung stehenden Weg logischerweise als Positivfederweg. Zur groben Orientierung sollte das Verhältnis von Negativ- zu Positivfederweg zirka ein zu zwei Drittel betragen. Beispiel: Ein Motorrad mit 120 Millimeter Federweg vorn und hinten sollte also im fahrbereiten Zustand – also inklusive Besatzung und eventuellem Gepäck – um ein Drittel des Gesamtfederwegs, in diesem Falle also 40 Millimeter einsacken. Dies als große Richtlinie, die idealen Werten können im Einzelfall geringfügig von dieser abweichen.

Es sollte jetzt also auch klar sein, dass man die Einstellung der Federung immer abhängig von der Beladung vornehmen muss.

Wie sensibel dieses Thema ist, kann man schon daran erkennen, dass die Grand-Prix-Rennfahrer ihre Fahrwerke für Training – wenn mit leerem Tank, also leichterem Motorrad, gefahren wird – und Rennen – zunächst voller Tank, schwereres Motorrad – in Sachen Federn anders abstimmen.

Es sollte jetzt also auch klar sein, dass man die Einstellung der Federung immer abhängig von der Beladung vornehmen muss, schließlich sackt die Maschine ja mit einem Sozius besetzt zumindest hinten weiter ein als bei Solobetrieb. Es ist sicher ein manchmal recht mühevoller Vorgang, bei jedem Beladungswechsel eine Neuanpassung der Federung vornehmen zu müssen-, wenn man das Optimum von seinem Fahrwerk erwartet, bleibt jedoch keine andere Wahl.

Wie aber stellt man das Niveau ein? Nun, für diesen Fall verfügen fast alle Motorräder zumindest für das oder die Federbeine hinten über eine einstellbare Federvorspannung. Wie der Name schon sagt, wird mit dieser Einstellmöglichkeit jedoch nicht – wie vielfach angenommen wird die Federhärte verändert, sondern lediglich die Vorspannung der Feder. Man hebt das Motorrad mit dieser Einstellung praktisch an oder senkt es im umgekehrten Falle ab. Auf die Federhärte hat diese Verstellung keinen Einfluss.

Zur Einstellung geht man folgendermaßen vor: Am einfachsten ist es, wenn man einen Helfer hat: Man markiert am Rahmenheck und an der Schwinge je einen Punkt – mit einem Filzstift zum Beispiel – und misst bei vollständig ausgefedertem Motorrad den Abstand zwischen diesen beiden Markierungen. Nun sollte die Besatzung Platz nehmen – das Motorrad muss natürlich vom Ständer genommen werden. Jetzt wird wiederum der Abstand zwischen den beiden Markierungen gemessen – die Differenz zwischen den beiden gemessenen Werten ist der Negativfederweg. Dieser sollte – wie schon gesagt – bei etwa einem Drittel des Gesamtfederwegs liegen. Stimmt der Wert nicht, wird nun die Vorspannung des Federbeins so lange verstellt, bis man auf einen etwa passenden Negativfederweg kommt.

Man organisiert sich ein paar Hülsen, die im Durchmessendem Innendurchmesser der Telegabel entsprechen und deren Höhe jenem Maß entspricht, um das man das Niveau vorn anheben möchte. Diese Hülsen montiert man zwischen dem oberen Verschluss-Stopfen der Telegabel und der Tragfeder im Inneren des jeweiligen Standrohrs.

Wenn man bis hier hin alles richtig gemacht hat, sollte das Motorrad schon mal auf dem korrekten Niveau stehen. Eine Aussage darüber, ob die verwendeten Federn zu hart, zu weich oder genau richtig sind, lässt diese Messung im Stand leider nicht zu. Einen ersten Anhaltspunkt kann man mit folgendem Trick bekommen: Man nimmt die Maschine vom Ständer und drückt seitlich vom Tank stehend mit beiden Händen kräftig von oben auf das Spritfaß – am besten kurz vor der Sitzbank, etwa dort liegt meist der Schwerpunkt der Maschine. Beim kräftigen Drücken sollte die Fuhre nun sowohl vorn als auch hinten einigermaßen gleich weit einfedern. Wie gesagt: gleich weit, nicht gleich schnell. Denn meist spricht die Telegabel wegen der manchmal recht hohen Losbrechkraft zwischen Stand und Tauchrohr ein bisschen schlechter und damit langsamer an als die Hinterradfederung. Federt jetzt die Maschine vorn und hinten gleich weit ein. hat man wenigstens schon mal die Gewähr, dass die Federung vorn und hinten einigermaßen harmoniert – ob das Ganze zu hart oder zu weich abgestimmt ist. kann jetzt nur noch der Fahrbetrieb klären.

Bei der Gabel geht man selbstverständlich ganz ähnlich vor: Man misst den Abstand zwischen zwei Punkten zum Beispiel der unteren Gabelbrücke und dem oberen Ende des Tauchrohrs bei ausgefedertem Motorrad und anschließend den Abstand zwischen den gleichen Punkten im eingefederten Zustand. Wieder ergibt die Differenz zwischen beiden Werten den Negativfederweg.

Leider gibt es bei vielen Motorrädern an der Telegabel keine Verstellmöglichkeiten für die Federvorspannung – insofern nützt einem die Erkenntnis an dieser Stelle zunächst mal herzlich wenig. Sollte das Motorrad vorn zu viel Negativfederweg haben – also zu tief stehen -, was leider relativ häufig vorkommt, kann man sich aber auch ohne einstellbare Vorspannung – gleich ob vorn oder hinten – hilft die Erhöhung der Vorspannung nicht.

Noch einmal: Mit der Änderung der Vorspannung ändert man nur das Fahrzeugniveau, nicht die Härte der Federung. Sollten die Federn vorn oder hinten zu weich oder zu hart ausgefallen sein, hilft nur der Tausch gegen ein besser abgestimmtes Exemplar aus dem Zubehörhandel von etablierten Herstellern wie Baehr, Öhlins, Technoflex, White Power,Wilbers oder Wirth zum Beispiel.

Während man bei einer Telegabel ja relativ leicht und preiswert die Feder allein tauschen kann – das gesamte Dämpfungssystem verbleibt ja in der Gabel – gibt es für praktisch kein Serienfederbein eine alternative Feder – weder vom Hersteller selbst noch im Zubehör. So bleibt in einem Fall, wo die Feder zu weich ist – und das ist leider bei vielen preiswerten Mittel-Klasse-Motorrädern der Fall – keine andere Alternative als der Gang zum Zubehörhandel, wo dann ein komplettes Federbein – also Feder samt Dämpfersystem erworben werden muss. Das aber hat dann wenigstens den Vorteil, dass man damit ein meist auch im Dämpferbereich besser abgestimmtes Exemplar erhält.

Aber wie gesagt: Wenn die Federrate nicht stimmt, gibt es keine andere Alternative als besser passender Ersatz – die Erhöhung der Vorspannung hilft hier nicht. Aber angesuchtes besseren Fahrverhaltens sollte einem diese Investition nicht so schwer fallen.

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