Fahrwerk Basiswissen

Bevor wir jetzt hingehen und das kleine Einmaleins der Fahrwerks-Abstimmung durchgehen, müssen wir uns zunächst mal um ein paar grundsätzliche Dinge kümmern, die ebenfalls das Fahrverhalten unseres Motorrads negativ beeinflussen können und die durch eine noch so gute Federungseinstellung nicht kuriert werden können.

Der wichtigste Punkt zu Beginn: Der Reifen-Luftdruck. Wer den Luftdruck in seinen Reifen bei normalem Gebrauch seines Motorrades nicht mindestens wöchentlich kontrolliert, der handelt schon beinahe fahrlässig. Denn auch bei modernen Motorradreifen kann es zu so genannten »schleichenden Platten« kommen, wenn die Luft nur ganz allmählich und unmerklich entweicht. Außerdem garantiert nur der korrekte, vom Hersteller empfohlene Luftdruck ein einwandfreies Fahrverhalten.

Federbein Das Federbein ist ein Begriff aus der Fahrwerkstechnik von Fahrzeugen. Man versteht darunter die Zusammenfassung von Feder und Dämpfer in einer Einheit, bei welcher der Dämpfer in die Schraubenfeder hineingesteckt ist. Feder und Dämpfer arbeiten exakt in derselben Bewegungsrichtung, ihre Symmetrieachsen sind identisch.

Ein recht häufiger Grund für Unruhen im Fahrwerk ist die falsche Montage des Vorderrads.

Wichtig ist danach, dass die beiden Räder auch sauber hintereinander herlaufen. Besonders bei Motorrädern mit Kettenantrieb hat man schnell mal den Kettenspanner auf der einen Seite stärker angezogen als auf der anderen, was dazu führt, dass das Hinterrad dann schräg – manchmal mit dem bloßen Auge kaum sichtbar – in der Schwinge steht. Also, beim Kettespannen immer auf die Markierungen rechts und links auf der Schwinge achten. damit das Rad sauber fluchtet. Es kann aber auch vorkommen, dass diese Markierungen einfach nicht stimmen. Da hilft nur eines: die Flucht der Räder nachmessen. Dazu kann man zum Beispiel eine lange, gerade Latte nehmen, die man an Vorder- und Hinterrad vorbei anlegt. Dabei aber darauf achten, dass man die unterschiedliche Breite von Vorder- und Hinterrad durch ein kleines flaches Holzstück ausgleicht. Es gibt allerdings auch – zum Beispiel bei Hein Gericke – ein einfaches Messwerkzeug, mit dem man den Abstand zwischen Schwingen- und Radachse messen kann.

Einfacher, wenn auch nicht ganz so genau – geht die Kontrolle folgendermaßen: Man stellt sich zirka fünf Meter vor das Vorderrad mit dem Rücken zum Motorrad, beugt sich nach vorn und blickt zwischen den eigenen Beinen durch in Richtung Vorderrad. Wenn ein Helfer nun das Vorderrad vorsichtig um seine Nulllage herum bewegt, kann man ganz gut erkennen, ob beide Räder sauber hintereinander herlaufen.

Nächster Checkpunkt: Ein recht häufiger Grund für Unruhen im Fahrwerk ist die falsche Montage des Vorderrads. Beim Einbau unbedingt darauf achten, dass zuerst die Radmutter und die Radachse festgezogen werden, dann erst die Achsklemmung auf einer Seite der Gabel.

Bevor man die Achsklemmung festzieht, sollte man die Maschine vorn einfedern, damit die Gabelholme fluchten Am besten ist es, man zieht zunächst die Radachse mit der großen Mutter fest, nimmt dann das Motorrad vom Ständer, federt es vorn ein paar mal kräftig ein und aus und zieht erst dann die Achsklemmung fest. Nur so ist gewährleistet, dass die beiden Gabelholme nicht unter Spannung eingebaut sind, was wiederum das Ansprechverhalten der Gabel deutlich verschlechtern würde.

Nächster Punkt, und ein ganz sensibler dazu: das Lenkkopflager. Recht häufig sind diese Lager bereits ab Werk sehr stramm eingestellt, was in der Regel zu einem sehr unpräzisen Einlenkverhalten führt. Klar, so ein Lenkkopflager darf kein Spiel haben, aber es darf aber auch auf keinen Fall zu straff angezogen werden.

Bei mangelhafter Einstellung des Lenkkopflagers kann das Fahrverhalten deutlich leiden nicht zu locker, aber vor allem auch nicht zu fest ist hier die Devise.

Abgesehen davon, dass bei einer zu straffen Einstellung das Lager selbst sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen wird, leidet wie gesagt auch das Fahrverhalten. Für eine korrekte Einstellung sollte man sich mal Zeit nehmen und sämtliche Züge und Kabel vom Lenker entfernen – also im Wesentlichen die beiden Lenkerarmaturen rechts und links abnehmen. Jetzt wird das Lager gelockert, bis man unten an der Telegabel ein deutliches Spiel wahrnehmen kann. Jetzt vorsichtig wieder festziehen, bis soeben kein Spiel mehr fühlbar ist. Nun nimmt man den Lenker an einem Ende zwischen Daumen und Zeigefinger und bewegt das Lenker ende vorsichtig ein paar Millimeter vor und zurück. Auf diese Weise kann man bei ganz kleinen Bewegungen die Reibung im Lager ganz gut spüren. Meist kann an diesem Punkt das Lenkkopflager wieder ein wenig gelockert werden, um so die Losbrechkraft im Lager zu verringern.

Noch ein wichtiger Punkt- die Räder. Gerade bei älteren Drahtspeichenrädern kann es vorkommen, dass sich die eine oder andere Speiche lockert und die Felge einen leichten Schlag bekommt. Das kann auch bei Gussrädern vorkommen – etwa nach dem Überfahren einer Bordsteinkante -, mit dem Unterschied, dass man Drahtspeichenräder richten lassen kann, Gussräder dann aber reif für die Tonne sind. Also: Bei aufgebocktem Motorrad – wohl dem, der einen Hauptständer hat- beide Räder von Hand drehen und auf korrekten Rundlauf checken. Dazu zum Beispiel einen Schraubendreher an Schwinge beziehungsweise Telegabel anlegen, dessen Spitze auf die Felge zeigt. So kann man beim Drehen des Rades sehr schnell eine unrunde Felge entdecken. Dreht man die Räder mit der Hand durch, sollte man auch gleich die Radlager kontrollieren: Ist beim Drehen ein schabendes Geräusch hörbar oder ein Kratzen spürbar, dürften die Radlager beschädigt sein. ( Vorsicht nicht verwechseln mit dem Scharben der Bremsanlage) Das kommt zum Glück heutzutage so gut wie nie vor.

Hat man bereits Probleme mit dem Fahrwerk, stehen noch weitere Punkte auf dieser Checkliste: Schwingenlager und sämtliche Lagerstellen eines eventuell vorhandenen Hebelsystems zwischen Federbein und Schwinge. Das Schwingenlager lässt sich noch recht einfach kontrollieren: Kann man bei ausgebautem Hinterrad die Schwinge fühlbar von rechts nach links bewegen – auch wenn’s nur ein Millimeter sein sollte -, dann sind die Schwingenlager hin oder müssen – bei Kardanmaschinen zum Beispiel – nur neu eingestellt werden. Hat man jetzt das Hinterrad schon mal ausgebaut, kann man auch das Spiel im Hebelsystem recht sicher diagnostizieren: Lässt sich nämlich das hintere Ende der Schwinge mit relativ wenig Kraftaufwand ein paar Millimeter auf- und Abbewegen, ohne dass sich das Federbein selbst bewegt, dann ist garantiert irgendwo ein Lager im Hebelsystem Schrott. In diesem Fall kommt man um den Kauf neuer Lager oder sogar eines Kompletten Hebelsystems kaum herum. Teure Geschichte, aber wie gesagt: Wenn an diesen Stellen nicht alles in Ordnung ist, kann man sich jede weitere Abstimmungsarbeit auch gleich schenken.

Als nächstes steht eine Sichtkontrolle von Federbein und Telegabel auf dem Programm: Sollte bereits Ölnebel an Standrohr oder Dämpferstange sichtbar sein, ist Ersatz fällig. Im Falle der Telegabel reicht meist ein Tausch der Simmerringe, beim Federbein wird in der Regel ein komplett neues benötigt, es sei denn, man verwendet bereits ein Zubehör-Federbein von Öhlins, Wilbers, White Power oder anderen Herstellern, die meist beim Hersteller oder Importeur repariert werden können.

Noch ein letzter Punkt: Besonders bei älteren Motorrädern kann es vorkommen, dass sich die Motorhalteschrauben mit der Zeit losvibrieren. Also – bei vorhandenen Fahrwerksunruhen ruhig auch mal einen Blick auf sämtliche Motorbefestigungen werfen, denn bei den meisten Fahrwerken tragen die Motoren einen großen Anteil zur Stabilität des gesamten Chassis bei.

Wer Probleme mit instabilem Fahrverhalten hat, sollte auch mal die Motorhalteschrauben kontrollieren. Der Motor trägt viel zur Stabilität des Chassis bei.

Die Kontrolle der Hinterradflucht ist wichtig. Mit einer Lehre misst man auf der einen Seite des Motorrads den Abstand zwischen Schwingen- und Radachse und kontrolliert diesen dann auf der anderen Seite der Maschine.

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